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Mind the Gap - from Rhetoric to Reality

Mind the Gap - from Rhetoric to Reality
Bei einem kürzlichen Management-Gipfel in Lissabon formulierten Expertinnen und Experten drei edle Prinzipien für die Zukunft des Managements:
  • Schaffung von Kundennutzen statt Verfolgung kurzfristiger Gewinne.
  • Autonome Netzwerke statt Hierarchien der Autorität.
  • Adaptive Denkweisen statt mechanistischer Prozesse.

Dem lässt sich schwer widersprechen – und doch ist nichts davon neu. Diese Ansätze spiegeln die besten Absichten von Managementdenkern wie Drucker oder Hamel wider. Das Programm des Global Peter Drucker Forums in Wien bekräftigt diese Prinzipien als Management-Evangelium. Gute Absichten – doch ihr Scheitern ist vorhersehbar, weil sie weder Einstellungen noch Verhaltensweisen verändern. Sie beruhen auf demselben Denken und festigen den Status quo. Das bloße Kopieren einer weiteren „Haier“-Praxis schafft keinen Wandel – das reicht schon lange nicht mehr aus. Es fühlt sich an als ob die Agile Bewegung mit ihren erweiterten Forderungen ums Überleben kämpft.

Was Organisationen tun, wie sie handeln und funktionieren, ist oft vom Gesagten ihrer Führungskräfte entkoppelt. Hinter jedem Prinzip verbirgt sich ein Paradox – ein Fortschrittsanspruch, der durch eine Praxis überschattet wird, die an der alten Logik festhält.

Aus der Perspektive von Unmanaged ist das keine Heuchelei, sondern Pfadabhängigkeit: Managementsysteme, die für Stabilität entwickelt wurden, bestehen fort, obwohl die Stabilität verschwunden ist. Je mehr Führungskräfte Transformation versprechen, desto stärker greifen sie auf Kontrollmechanismen zurück, die Stillstand zementieren.

Unmanaged und die Organization Twins wurden entwickelt, um genau diese Lücke zwischen Rhetorik und Realität zu überbrücken. Anstatt Managern vorzuschreiben, was sie tun sollen, zeigen sie, wie sich Management weiterentwickeln kann, um Kohärenz wiederherzustellen. Sie schaffen den Raum, in dem Management wieder wirksam wird – und diese Prinzipien in die Praxis umgesetzt werden können.

1. Die Kontrollfalle: Das Scheitern mechanistischen Managements

Der AnspruchSchaffung von Kundennutzen statt Verfolgung kurzfristiger Gewinne.

Die Realität: Anstatt sich auf Wertschöpfung zu konzentrieren, beschäftigen sich die meisten Organisationen mit Kundenabwanderung. Sie blicken in den Rückspiegel, statt den Blick auf die Straße zu richten und den besten Weg zu erkennen. „Churn“ und „Abwanderung“ dominieren Management-Dashboards, während gegenwärtige und zukünftige Wertschöpfung ein abstraktes Ideal bleibt.

Diese Umkehrung spiegelt ein mechanistisches Weltbild wider, verwurzelt in klassischer Ökonomie und tayloristischem Management – dem Glauben, Leistung könne durch Kontrolle messbarer Ergebnisse optimiert werden. In dieser Denkweise werden Kunden zu Datenpunkten, und Servicefehler sind Abweichungen vom Standardprozess. Steigt die Abwanderung, wird an der Kennzahl geschraubt – durch Rabatte, Loyalitätsprogramme oder Servicekampagnen – statt das System zu diagnostizieren, das Unzufriedenheit erzeugt.

Systemtheorie und Kybernetik erklären, warum das scheitert: In komplexen adaptiven Systemen – wie modernen Organisationen – lassen sich Ergebnisse nicht direkt kontrollieren. Sie entstehen aus Interaktionen von Menschen, Prozessen und Kontexten. Der Versuch, Leistung durch Kontrolle zu stabilisieren, führt zu Gegeneffekten: mehr Starrheit, weniger Reaktionsfähigkeit und schwindendes Vertrauen.

Systemischer Kundenverlust ist also kein Kundenproblem, sondern ein Managementsymptom. Er entsteht, wenn die interne Logik der Organisation sie verlangsamt und genau die Beziehungen zerstört, die sie zu pflegen vorgibt.

Unmanaged sieht darin ein Versagen diagnostischer Fähigkeiten: Manager messen Symptome (Abwanderung), statt Ursachen (Entfremdung) zu verstehen. Meisterschaft im Management beginnt mit einer diagnostischen Haltung – Daten, Reflexion und Feedbackschleifen zu nutzen, um zu erkennen, wie das System selbst Kundenmüdigkeit erzeugt.

Hier bieten Organisationszwillinge einen Perspektivwechsel. Sie erzeugen ein digitales Spiegelbild des tatsächlichen Verhaltens der Organisation – wie Entscheidungen, Kommunikation und Zusammenarbeit wirklich funktionieren. Durch die Kombination von Umfragedaten, Verhaltensmustern und Benchmarks wird sichtbar, wo Kundennutzen entsteht oder zerstört wird.

Ein Beispiel zeigte: 70 % der Serviceverzögerungen stammten nicht von der Front, sondern von Management-Engpässen – Genehmigungen, unklarer Verantwortlichkeit und fehlender Priorisierung. Das Beheben dieser Strukturen senkte die Abwanderung weit stärker als jede Marketingkampagne.

Wenn Führungskräfte auf Wertschöpfung statt Abwanderungsprävention setzen, folgt der Wettbewerbsvorteil von selbst – der Übergang vom mechanistischen Kontrollsystem zum lebenden Lernsystem: das Kennzeichen von Meisterschaft.

2. Die Machtfalle: Die Persistenz von Kontrolle und Autorität

Der Anspruch: Autonome Netzwerke statt Hierarchien der Autorität.

Die Realität: Die meisten Organisationen verlassen sich weiterhin auf hierarchische Macht, um Entscheidungsprobleme zu „lösen“. Wenn Netzwerke scheitern, zentralisieren Führungskräfte die Kontrolle. Wenn Empowerment fehlschlägt, führen sie Kontrolle wieder ein. Autonomie wird gepredigt, aber nicht praktiziert.

Dieses Paradox wurzelt tief in der Organisationspsychologie. Menschen suchen unter Unsicherheit Sicherheit durch Struktur. In komplexen Situationen greifen Führungskräfte auf das zurück, was Daniel Kahneman als System 1-Denken bezeichnet – schnell, intuitiv, konservativ. Die Illusion von Kontrolle wird zum Trost, wenn Komplexität überfordert.

Forschung zu Komplexitäts- und Neuro-Leadership bestätigt: Hierarchische Kontrolle reduziert kognitive Belastung – sie fühlt sich effizient an –, hemmt aber Vielfalt und Anpassungsfähigkeit. Macht ersetzt Vertrauen.

In Unmanaged nennen wir das die Machtfalle – den Zustand, in dem Führung Autorität mit Wirksamkeit verwechselt. Hierarchien scheinen Koordination zu schaffen, verhindern aber kollektive Intelligenz. Entscheidungen verzögern sich, Rückkopplungen versiegen, Innovation stirbt an der Spitze.

Meisterschaft im Management folgt einem anderen Modell: Macht als verteilte Energie, nicht zentralisierte Autorität. Stafford Beer zeigte, dass Überlebensfähigkeit von Organisationen davon abhängt, dass ihre innere Vielfalt der äußeren Komplexität entspricht. Hierarchien verringern Vielfalt; Netzwerke erhöhen sie.

Organisationszwillinge machen diese Dynamik sichtbar – sie kartieren Entscheidungsflüsse, Kommunikationsdichte und Vertrauensmuster.
Eine Analyse bei einem europäischen Mittelstandsunternehmen zeigte: 80 % der strategischen Entscheidungen liefen über nur drei Führungskräfte – mit Verzögerungen und Frustration im gesamten System.

Nach dieser Erkenntnis wurden Entscheidungsrechte nach Kompetenz statt Position verteilt. Innerhalb weniger Monate stiegen die Kollaborationswerte und die Kundenzufriedenheit deutlich. Die Machtpyramide wurde durch ein Netzwerk autonomer Verantwortlichkeit ersetzt – ein lebendes Beispiel für verteiltes Management.

Die systemischen und interaktiven Attribute der Meisterschaft – zwei der neun in Unmanaged – fassen diesen Wandel zusammen. Systemische Führung gestaltet Interdependenzen, nicht Individuen. Interaktive Führung ersetzt Kontrolle durch Koordination.

Autonome Netzwerke entstehen nicht durch Deklaration – sie werden durch Bewusstsein gestaltet. Organization Twinsliefern die Evidenz, die Führungskräfte brauchen, um Macht loszulassen.

3. Die Effizienzfalle: Fehlende Anpassungsfähigkeit

Der AnspruchAdaptive Denkweisen statt mechanistischer Prozesse.

Die Realität: Trotz des Rufes nach adaptiven Denkweisen bleibt die Managementpraxis von Effizienz und Kostenreduktion beherrscht. Lean, Six Sigma und Prozessautomatisierung versprechen Präzision – und liefern oft Starrheit. Organisationen erledigen Vertrautes perfekt, aber übersehen das Neue.

Diese Fixierung auf Effizienz missversteht thermodynamische und evolutionäre Prinzipien im Management. Lebende Systeme – ob biologisch oder organisatorisch – überleben durch ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Anpassung. Wird Energie zu stark optimiert, verliert das System seine Evolutionsfähigkeit.

Ilya Prigogine nannte dies den Rand des Chaos – die Zone, in der Ordnung und Unordnung koexistieren und Kreativität entsteht. Organisationen in der Effizienzfalle meiden diesen Rand – sie suchen Gleichgewicht auf Kosten der Entwicklung.

Unmanaged bezeichnet das als Effizienzfalle – eine Sucht nach Vorhersagbarkeit, die das Neue unterdrückt. Adaptive Denkweisen brauchen Unsicherheits­toleranz, Experimente und Feedback – all das minimieren mechanistische Prozesse.

Ganzheitliches und regeneratives Management – zwei weitere Attribute der Meisterschaft – bieten den Ausweg. Ganzheitliches Management betrachtet Organisationen als lebende Ökosysteme. Regeneratives Management konzentriert sich darauf, Energie zu erneuern statt zu verbrauchen. Effizienz spart Kosten, Regeneration schafft Wert.

Organisationszwillinge setzen das um, indem sie nicht nur Produktivität, sondern Dynamische Fähigkeiten messen – wie schnell die Organisation lernt, Wissen teilt und sich anpasst. In einem Produktionsunternehmen zeigte der Twin: Kostenfokussierte Abteilungen erzielten die schlechtesten Lern- und Kollaborationswerte. Die Verlagerung des Fokus von Kosten-KPIs zu Fähigkeitsindikatoren erhöhte die Innovationsleistung ohne Zusatzressourcen. Effizienz wurde zum Nebenprodukt von Anpassung – nicht deren Ersatz.

Das ist das Wesen der Meisterschaft: wenn Management nicht mehr Entwicklung hemmt, sondern ermöglicht.

Die Wissenschaft von Unmanaged: Warum sich Management selbst weiterentwickeln muss

Die drei Paradoxien haben eine gemeinsame Wurzel: das Fortbestehen mechanistischer Managementlogik in einer komplexen Welt. Klassisches Management entstand unter newtonschen Annahmen – Linearität, Vorhersagbarkeit, Kontrolle. Die wissenschaftlichen Revolutionen des 20. Jahrhunderts – Systemtheorie, Quantenmechanik, Kybernetik, Komplexitätsforschung – haben diese Sichtweise überwunden.

In einer Quantenwelt bestimmen Beziehungen, nicht Objekte, das Verhalten. In komplexen Systemen sichert Feedback, nicht Kontrolle, Stabilität. In sozialen Systemen entsteht Motivation aus Sinn, nicht aus Messung.

Dennoch spiegeln Managementausbildung, Kennzahlen und Anreize weiterhin das industrielle Paradigma wider. Führungskräfte, die gelernt haben, Maschinen zu optimieren, versuchen nun, lebende Systeme zu steuern – das Ergebnis ist das, was Unmanaged als Durchwursteln bezeichnet: reaktives Management, das weder sieht, lernt noch sich schnell genug entwickelt.

Der Übergang zur Meisterschaft erfordert eine bewusste Verlagerung der Aufmerksamkeit – von Kontrolle zu Bewusstsein. Dieses Prinzip beruht auf dem Inner Game: Fokus, Wahl, Vertrauen und Achtsamkeit. Führung kann Komplexität nicht befehlen – sie muss sich diagnostisch mit ihr auseinandersetzen.

Von Unmanaged → Organization Twins → Meisterschaft

Der Weg vom Anspruch zu Realität verläuft in drei Etappen:

  1. Unmanaged deckt die Lücke auf. Es diagnostiziert die systemischen Fehler traditionellen Managements – das Festhalten an Kontrolle, die Illusion von Autorität, den Kult der Effizienz – und liefert den Bezugsrahmen für Meisterschaft: neun Attribute besseren Managements.
  2. Organisationszwillinge machen die Lücke sichtbar. Sie schaffen ein lebendiges Modell, wie Management tatsächlich funktioniert – datenbasiert, interaktiv, vergleichend. Der Twin ist der Spiegel, in dem Management sich erstmals klar sieht.
  3. Meisterschaft schließt die Lücke. Durch diagnostische Einsicht und systemisches Lernen entwickelt sich Management selbst zur Quelle des Wettbewerbsvorteils. Meisterschaft ist kein Ziel, sondern ein Zustand ständiger Erneuerung.

Fazit: Von Prinzipien zu Praxis

Die drei Forderungen des Lissabonner Gipfels sind nicht falsch – sie sind notwendig. Aber sie bleiben Wunschdenken, solange sich das Management selbst nicht weiterentwickelt.

  • Kundennutzen kann nicht in Systemen gedeihen, die um Abwanderung kreisen.
  • Netzwerke können unter Autoritätslast nicht blühen.
  • Anpassung kann aus Effizienzfixierung nicht entstehen.

Der Weg nach vorn ist keine weitere Reform – es ist eine Neudefinition von Management. Unmanaged liefert die Theorie, Organisationszwillinge liefern die Evidenz. Gemeinsam verwandeln sie Rhetorik in Realität – und führen Organisationen vom Durchwursteln zur Meisterschaft im Management.

Wenn Management selbstbewusst wird – diagnostisch, systemisch, menschlich, ganzheitlich, regenerativ, integriert, verteilt, einzigartig und interaktiv – muss es nicht mehr nach Wert streben, Macht kontrollieren oder Effizienz erzwingen. Wert, Vertrauen und Leistung entstehen von selbst.

Das ist das Wesen der Meisterschaft. Das ist die Zukunft des Managements.


Autoren: Lukas Michel und Guido Bosbach


Seit 2002 bauen wir Organisationszwillinge mit dem KI-basierten Werkzeugsatz für Management Innovationen.

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